In einer kleinen Stadt spannt ein Seiltänzer sein Seil quer über den Marktplatz.
Dann beginnt er auf dem Seil zu balancieren, mit einem Stab in der Hand, aber ohne Netz – und hoch über dem Boden. Die Menge hält den Atem an, während der Seiltänzer Kunststückchen
vorführt und auf dem Seil von einem Ende zum anderen läuft. Tosender Beifall, die Menschen staunen und fordern eine Zugabe. Noch einmal macht sich der Seiltänzer auf den Weg, wieder schauen die Menschen mit offenen Mündern zu, staunen, jubeln, als er am anderen Ende ankommt.
Nun nimmt er eine Schubkarre, setzt sie auf das Seil und blickt in die Menge. „Glaubt ihr, dass ich es auch schaffe, diesen Karren über das Seil zu schieben?“ – „Na klar“, rufen die Leute, „kein Problem, wir glauben es!“ – „Gut“, ruft der Seiltänzer, „wenn ihr mir das zutraut – wer möchte sich dann in die Schubkarre setzen?“
Nun wurden die Mienen der Zuschauer ängstlich. Das Geschrei verstummt, alle schweigen und blicken zu Boden. Nein, sich in den Karren zu setzen, dass ging dann doch zu weit!
Da meldet sich ein kleiner Junge. „Ich setze mich in den Karren“, ruft er. Die Menschen sind unruhig, wollen ihn davon abhalten, doch zu spät. Der Junge setzt sich in die Schubkarre, der Seiltänzer beginnt seinen Weg, das Seil schwankt, der Wind pfeift. Doch Schritt für Schritt läuft der Seiltänzer über das Seil. Als er am anderen Ende ankommt, jubeln die Menschen ihm zu, klatschen, sind begeistert. Und der Junge wird gefragt: „Hast du denn gar keine Angst gehabt?“ „Nein“, antwortet der Junge, „warum auch? Der Seiltänzer dort, das ist ja mein Vater!“
Nein, es ist nicht völlig unvernünftig, sich jemandem anzuvertrauen, ein Risiko einzugehen oder etwas zu wagen. Ich muss keine Angst haben; Gott liebt mich, er lässt mich nicht im Stich. Ich kann auf ihn bauen und ihm vertrauen. Denn das bedeutet Glauben: Ich habe Vertrauen, ich kann mich fallen lassen – denn da ist jemand, der sich um mich sorgt, mich auffängt, mich behütet.
Robert Gerke