PG Oberleichtersbach-Schondra

Missbrauch  im Namen Gottes

Die entsetzlichen Nachrichten über sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche lassen uns nicht in Ruhe. 2010 war erstmals ein leitender Ordenspriester in Deutschland mit den entsprechenden Vorwürfen an seine Gemeinschaft an die Öffentlichkeit gegangen. Er hat damit ein Tabu gebrochen, das über viele Jahrzehnte verhindert hat, dass sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im kirchlichen Raum benannt und konsequent verfolgt und bestraft wurde. Bischöfe und andere Kirchenverantwortliche waren vordringlich bemüht, das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit der Kirche nach Außen nicht zu beschädigen. So wurden Anzeigen und Erkenntnisse meist geheim behandelt. Bekannt gewordene Opfer wurden mit Entschädigungszahlungen zum Schweigen gebracht und Täter oftmals versetzt in der Hoffnung auf Bußfertigkeit und Besserung. Dass damit weiteren Verbrechen der Weg bereitet wurde und die Kirche sich schuldig gemacht hat am Leid vieler folgender Opfer, ist traurige Tatsache.

Notgedrungen haben sich die deutschen Bischöfe dem Thema gestellt, Untersuchungen in die Wege geleitet und seit 2013 Präventions-Ordnungen installiert, die künftig solche Taten systematisch verhindern sollen. Inzwischen hat sich auch die deutsche Gesellschaft insgesamt auf den Weg gemacht, das vielfache Leid, das durch sexualisierte Gewalt in Familien, Schulen und Vereinen geschehen ist und immer wieder geschieht, wahrzunehmen, ernstzunehmen und zu verhindern. Seit 2013 schreibt das Bundeskinderschutzgesetz allen, die in engem Kontakt mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, vor, regelmäßig ein „erweitertes Führungszeugnis“ vorzulegen und Präventions-Kurse zu besuchen. Bereits aktenkundige Straftäter:innen soll dies abschrecken. Und die Mitarbeiter:innen sollen Aufmerksamkeit, Kommunikations- und Handlungsfähigkeit zum Schutz vor sexualisierter Gewalt entwickeln. Das betrifft auch in der Kirche nicht nur die hauptamtlich Tätigen, sondern auch die Ehrenamtlichen, die sich in unseren Sakristeien, Jugendgruppen und Freizeiten um Kinder und Jugendliche kümmern.


2018 mussten sich die deutschen Bischöfe von unabhängigen Experten erklären lassen, dass die Missbrauchs-Verbrechen durchaus auch Ursachen im kirchlichen System haben: Dies sind antiquierte Machtstrukturen und eine Sexualmoral, die nicht auf der Höhe der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist; aber auch die mangelnde Teilhabe von Frauen an kirchlicher Leitungsverantwortung und die für das Priesteramt geforderte zölibatäre Lebensform spielen offenbar eine wesentliche Rolle.


Mit diesen Themen befasst sich nun seit dem letzten Jahr der sogenannte „Synodale Weg“. Haupt- und ehrenamtlich engagierte Katholik:innen erarbeiten hier zusammen mit Expert:innen und Missbrauchs-Betroffenen Perspektiven für die notwen­dige Weiterentwicklung der deutschen Kirche - genau aus dieser Krise heraus.
So unangenehm dieses Thema auch ist, so nah und persönlich betrifft es uns doch tatsächlich, in der Diözese Würzburg, in unserem Landkreis und im Pastoralen Raum Bad Brückenau. Über die in der Vergangenheit öffentlich gewordenen Fälle sexuellen Missbrauchs in der hiesigen Kirche hinaus lehren uns die wissenschaftlichen Studien, dass es ein viel größeres Dunkelfeld gibt, mit dem wir durchaus rechnen müssen. Wir hatten uns im letzten Jahrhundert daran gewöhnt, Wahrnehmungen, die auf solche Verbrechen hätten hindeuten können, zu verdrängen - erst recht bei Autoritätspersonen wie Pfarrern und Lehrern. Unter Umständen sind wir auf diese Weise mitschuldig geworden. Und wenn es tatsächlich in unseren Kirchengemeinden Opfer sexuellen Missbrauchs gäbe, wäre damit zu rechnen, dass das, was diese bisher vielleicht noch niemandem haben sagen können, in den Seelen quält und einmal zur Offenbarung drängt. Die Psychologie weiß, dass dann oft professionelle Hilfe gebraucht wird. Erst recht bin ich mir als Seelsorger darüber bewusst, dass eine solche Leiderfahrung den Glauben an jenen Gott zutiefst infrage stellt, den der Missbrauchstäter einmal persönlich repräsentiert hat. Und schließlich geht es einerseits um eine ganz intime persönliche Angelegenheit und andererseits womöglich um die Entlarvung einer Fassade, mit der sich manche andere aus Angst oder Bequemlichkeit zurechtgefunden und mitschuldig gemacht haben.


Jedenfalls hat man aus diesen Erkenntnissen heraus in allen Diözesen unabhängige Missbrauchs-Beauftragte gewonnen, als diskrete Ansprechpartner für Betroffene.
In Würzburg sind dies die Jurist:innen Prof. Dr. Alexander Schraml
(0151 21265746) Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und
Sandrina Altenhöner (0151 64402894) Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Als Pfarrer möchte ich hiermit aber deutlich machen, auch wir als Seelsorger:innen wollen diesem Thema nicht ausweichen und werden versuchen, Betroffenen, die sich an uns wenden, zur Seite zu stehen.
Pfr. Armin Haas

Missbrauch in der Diözese Würzburg

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