Wenn ein Jahr zu Ende geht und das neue beginnt, machen wir uns etwas bewusst, das wir ansonsten oft nur wenig beachten:
Wir halten inne und begrüßen den Übergang vom Alten ins Neue. Ja, vielleicht feiern wir ihn sogar, mit Sekt und guten Wünschen – wie es die Tradition ist. Womöglich machen wir uns dann klar, dass nicht nur dieser Moment einen Übergang markiert, sondern dass das Leben an sich eine Reise voller Übergänge ist. Wir lassen den einen Ort hinter uns und streben einem anderen zu. Und vielleicht sind wir dabei sogar glücklich, fortzukommen, um etwas abzuschließen. Oder wir wären gern noch geblieben und brechen nur zögerlich und mit Bedauern auf – weil es gut ist, wie es war.
Ein neues Jahr ist immer auch eine große Unbekannte. Es hat so viele Tage, so viele Möglichkeiten, so viele Entscheidungen, die richtig oder falsch ausfallen können (und dennoch müssen wir sie treffen). Es gibt so vieles zu beachten und zu bewältigen, dass einem bei dem Gedanken daran schwindelig werden kann. Und vielleicht empfinden wir deshalb den Wunsch, nicht nach vorn stürmen zu wollen.
Vielleicht denken wir sogar, dass es früher besser oder zumindest einfacher war. Aber haben wir denn überhaupt eine Wahl? Schließlich will die Zukunft erschlossen und gestaltet werden, im Großen wie im Kleinen. Und wenn wir das nicht bewerkstelligen – wer tut es dann? Und überhaupt ist unser Leben, wenn wir es aus diesem Blickwinkel betrachten, ein Prozess, bei dem wir das, was kommt, zwar fürchten mögen, aber – und dies ist ein großes und gewichtiges „aber“ – wir über eine einzigartige Gabe verfügen, um diese Furcht zu besiegen. Wir können nämlich aus Ungewissheit Gewissheit formen. Und auch wenn uns das selbstverständlich erscheinen mag, grenzt diese menschliche Fähigkeit bei näherer Betrachtung an ein Art Zauberkraft.
Weil vieles von dem, was jetzt noch ungeklärt und ungewiss erscheint, von uns selbst in das genaue Gegenteil verwandelt werden kann. Wie wir das anstellen? Ganz einfach, indem wir leben, nach vorne blicken und jedes Hindernis aus dem Weg räumen, eines nach dem anderen.
Was wir dabei gewinnen? Neue Sicherheit und neue Erkenntnis. Nämlich darüber, was gut ist und was nicht. Was uns gelungen ist, worauf wir in Zukunft bauen können und was wir vielleicht noch verbessern sollten. Das nämlich lehrt uns der kluge Blick zurück, der nicht nur verklärt, sondern auch einmal kritisch betrachtet. Und daher ist es wichtig, nie aus den Augen zu verlieren, was war, wenn wir uns auf den Weg nach vorn machen.
Denn Erfahrung ist das beste Rüstzeug, das wir haben. Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard hat das in einem Satz ganz wunderbar und einprägsam beschrieben: „Verstehen lässt sich das Leben rückwärts, leben muss man es aber nach vorn.“
Was wir dafür brauchen? Zuversicht, Vertrauen in uns selbst und unsere Gaben. Und das Wissen, dass diese für uns bestimmte Zukunft gelingen wird. Warum? Ganz einfach, weil es uns ja auch in der Vergangenheit geglückt ist. Denn sonst wären wir gar nicht hier.
Uwe Bokelmann
Und dazu gebe uns Gott seinen Segen.