Ächzend schleppte die kleine graue Feldmaus Ähre um Ähre in ihr Mauseloch.
Oben im Baum saß die Elster, die sich gerade ein Stückchen bunten Glases stibitzt hatte und nun gebannt zuschaute, wie sich die Morgensonne darin spiegelte, dass es funkelte und glitzerte.
„Wie ist das Leben doch trübe und grau!“, stöhnte die Feldmaus,
die Elster aber jubelte: „Das Leben ist herrlich!
Wie viel Schönes gibt es doch auf der Welt!“
„Was nützt unser einem schon das Schöne!“, maulte die Maus.
„Man kann es nicht essen und nicht trinken,
und Schutz vor der Winterkälte bietet es auch nicht!
Ich habe keine Zeit, mich mit Nutzlosem zu beschäftigen,
wo es so viel Notwendiges zu tun gibt.“
„Aber das eine schließt doch das andere nicht aus!“, widersprach die Elster. „Wenn ich morgens aufwache und mein Blick zuerst auf etwas Schönes fällt, dann füllt sich mein Herz mit so viel Freude,
dass ich das Alltägliche leicht ertrage!“
Mit kräftigem Flügelschlag flog sie unverzagt in den Tag.
„So etwas von Leichtfertigkeit!“, schimpfte die Maus hinter ihr her und zerrte ärgerlich an ihrer Ähre.
Guter Gott, in meinem Leben gibt es viel Schönes. Aber ich nehme es nicht immer wahr.
Hilf mir, heute offene Augen zu haben für alles, was mir geschenkt worden ist.
Lass mich meinen Atem, meine Bewegungsmöglichkeit, die Vögel und Blumen oder auch den guten Geruch einer Speise wahrnehmen.
… aus der Oberleichtersbacher Rosenkranzandacht im Oktober